Die Geschichte des Berchinger Rossmarkts

Pferde und Pferdemärkte haben in Berching seit mehr als 300 Jahren Tradition.

Als wirtschaftliches Zentrum des Sulzgaues war die Stadt seit dem Mittelalter ein bedeutender Marktplatz für die Versorgung des bäuerlichen Hinterlandes. Das Marktrecht war Berching bereits vor 1245 verliehen worden. Seit alters her wurden hier Viehmärkte abgehalten, auf denen neben Ochsen, Rindern, Schweinen, Ziegen und Kleinvieh auch Pferde gehandelt wurden.

Welche bedeutende Rolle das Pferd im Leben unserer Vorfahren gespielt hat, zeigen zahlreiche Einträge in den Berchinger Ratsprotokollen. Insbesondere auf eine gute Gesundheit der Tiere wurde von Amts wegen großer Wert gelegt. Zu diesem Zweck wurden schon vor mehr als 250 Jahren regelmäßige „Rossbeschauen” durchgeführt. Bereits in einer Ratssitzung vom 12. Jenner 1722 war Folgendes beschlossen worden: „Nach deine Vorkhommen, daß sowol in dem ambt Beylngries, allß Gröding alle iahr in der charwochen sowohl die Statt- als Landtpferth zusammengeführt unnd durch die Rosßbeschauer ordentlich visitirt werdten.... als ist zu Verhuettung allerhandt schädlich unnd ansteckhendten Pferdtsucht von Probstdann Burgermaister unnd Raths wegen beschlossen wordten dergleichen Vorsichtigkheit auch hier einzufahren, mithin solche Beschauung alle iahr umb die bestimbte Zeith vorzunemmen.... ”

Propst, Bürgermeister und Rat waren demnach übereingekommen, zur Verhütung etwaiger Pferdeseuchen alle Pferde einmal jährlich durch die aufgestellten Rossbeschauer tierärztlich kontrollieren zu lassen.

In den Niederschriften des Rates ist sogar noch ein wesentlich älterer Nachweis für eine derartige Pferdebeschau zu finden. Unter der Überschrift Rossgeschaw war bereits am 24. April 1678 vom Rat vereinbart worden, „khünftighin alle diejehnigen Ross und Füll, so man auff die Weith (Weide) thuen und Reithen wihl, durch die geschwohrhen Rossgeschauer... ordentlich geschauen, besichtigen [zu] lassen....”. Als Lokalität der Beschau wird „der Blaz... vor der Frau Weillhammerin Haus” genannt. Verantwortlich für die Beschau waren wiederum die vom Magistrat gewählten und vereidigten „Rossgeschauer”.

Sicherlich hat bei diesen Gelegenheiten das eine oder andere Pferd seinen Besitzer gewechselt. Dies war jedoch nicht der eigentliche Zweck der Veranstaltung. Bei der ungeheuer wichtigen Rolle, welche Pferde damals in der Landwirtschaft und im Transportwesen spielten, hätte ein jährlich ein- oder zweimal stattfindender Rossmarkt niemals den Bedürfnissen gerecht werden können. Ein Bauer oder Fuhrmann brauchte bei Ausfall eines Pferdes sofortigen Ersatz. Pferde wurden zu dieser Zeit mit Sicherheit das ganze Jahr über gehandelt – wie heutzutage Autos und Traktoren.

Der Berchinger Pferde- und Fohlenmarkt

Der eigentliche Ursprung des heutigen Berchinger Rossmarkts ist erst viel später zu suchen – im Jahr 1920. Am 5. Oktober dieses Jahres hatte der damalige Magistrat beschlossen, bei den zuständigen Behörden einen Antrag auf Abhaltung zweier „Pferde- und Fohlenmärkte“ zu stellen. Neben einer Absatzförderung für die während des 1. Weltkriegs stark ausweitete Pferdezucht in der Region, dürften dabei in erster Linie eigene wirtschaftliche Erwägungen im Vordergrund gestanden haben. Ein überregionaler Markttag brachte zahlreiches und zahlungskräftiges Publikum in die Stadt – zum Nutzen der ansässigen Geschäftswelt. Es sollten allerdings noch sechs Jahre ins Land gehen, ehe am 3. Febraur 1926 der erste „Berchinger Pferde- und Fohlenmarkt” stattfinden konnte. Im Unterschied zu heute handelte es sich damals um einen reinen Pferdemarkt.

Der Markt wurde von der Bevölkerung unerwartet gut aufgenommen und war auf Anhieb ein voller Erfolg. Nicht weniger als 341 Pferde waren damals aufgetrieben worden. Kein Wunder, dass für das folgende Jahr wiederum ein Pferde- und Fohlenmarkt angesetzt und vom Rat um eine ständige Genehmigung für einen jährlichen Rossmarkt nachgesucht wurde. Auch das seither übliche Datum – Mittwoch nach Lichtmess – wurde damals festgelegt. Dieser Zeitpunkt am Ende der ereignis- und umsatzarmen Winterzeit und vor Beginn der Fastenzeit kam den schon erwähnten Interessen der Berchinger Geschäftswelt entgegen. Darüber hinaus befanden sich in den Tagen um Lichtmess zahlreiche Dienstknechte und Mägde auf Arbeitsuche in der Stadt. Ihre Dienstverträge waren auf ein Jahr befristet und liefen traditionell an Lichtmess aus. Knechte und Mägde erhielten ihren Lohn ausbezahlt und konnten sich bei dieser Gelegenheit einen neuen Dienstherren suchen.

Von Seiten der Stadt wurde im übrigen alles unternommen, um die Attraktivität des Marktes zu steigern. Schon 1928 wurden kleine Geldpreise und Fahnen für die größten Anbieter und Käufer ausgelobt. Für 1930 wird ein Auftrieb von 288 Pferden gemeldet. Damals verlangte die Stadt je Tier 50 Pfennig Standgeld. Da die Geldpreise von den ansässigen Geschäftsleuten mitgetragen wurden, waren die Unkosten für die Stadt denkbar gering. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs fanden die Märkte ohne Unterbrechung statt.

Neubeginn und Aufschwung

Mit dem Jahr 1947 wurden in Berching die Vieh- und Krammärkte und in der Folge auch der schon traditionell gewordene Rossmarkt wieder aufgenommen. Wie vor dem Krieg wurden kleine Preise ausgesetzt und die Pferdehändler strömten zahlreich in die Stadt.

Nach einem erfolgreichen Start machten sich allerdings bald zunehmende Schwierigkeiten bemerkbar. Neben zweier Absagen wegen der grassierenden Maul- und Klauenseuche in den Jahren 1952 und 1966 machte die zunehmende Motorisierung in der Landwirtschaft dem Handel mit Pferden seit Ende der 50er Jahre schwer zu schaffen.

Seit Mitte der 60er Jahre war der Berchinger Pferde- und Fohlenmarkt wie zahlreiche andere Pferdemärkte in Bayern gar in seiner Existenz bedroht. Die Berchinger wollten „ihren“ Rossmarkt auf keinen Fall aufgeben. Seit 1964/65 wird zeitgleich mit dem Pferdemarkt in Berching der große „Bauernjahrtag im Westjura“ veranstaltet. Zusätzlich sollten höhere Prämien mehr Pferdebesitzer veranlassen den Roßmarkt zu beschicken. Damit einher ging die Wandlung von einem Pferdemarkt zu einer „Pferdeschau“ mit großem Warenmarkt. Statt der früher vorherrschenden Kaltblüter wurden nun zusätzlich Reitpferde und Ponys aufgetrieben und zur Schau gestellt. Gerettet war der Rossmarkt damit noch keinesfalls.

Erst Anfang der 70er Jahre nahm der Berchinger Pferdemarkt einen überraschenden Aufschwung. Statt wie in den Jahren zuvor nur noch 50 bis 60 Pferde konnten die Besucher nun immer häufiger 100 und mehr Rösser bestaunen. Die Zahl der Besucher addierte sich regelmäßig auf 20.000 bis 30.000. Die Gründe für eine solche Renaissance mögen vielfältig sein. Zum einen war es der Stadt gelungen, zugkräftige Politiker als Festredner zu gewinnen. Zum anderen dürfte die größere Mobilität, die auch weiter entfernten Pferdebesitzern die Möglichkeit gab und gibt, den Markt zu beschicken, dann das Aussterben anderer Pferdemärkte, eine wiedererwachte Sehnsucht nach der – vorautomobilen – „guten alten Zeit“ und der zunehmende Bekanntheitsgrad Berchings die Anziehungskraft des Rossmarkts gestärkt und sein Überleben gesichert haben.

Wenngleich der Berchinger Rossmarkt erst 1926 eingeführt wurde, kann dennoch von der Fortsetzung einer jahrhundertealten Pferdemarktgeschichte ausgegangen werden. Nimmt man den Rossmarkt in seiner heutigen Form als große Pferdeschau, so ist gegen einen Rückgriff auf das Jahr 1722, ja sogar auf das Jahr 1678 wenig einzuwenden. Damals wie heute wurden die Pferde nicht in erster Linie verkauft sondern „beschaut“ – wenn auch damals aus anderen Gründen. Abgesehen von diesem kleinen Vorbehalt spricht nichts dagegen, von einer über 300-jährigen Tradition des Berchinger Rossmarkts zu sprechen.